#Einführungsvorlesung: Im Gespräch mit Professor Alexander Barnes

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Die Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie zu revolutionieren und die Medikamentenentwicklung mit den stärksten NMR-Magneten der Welt voranzutreiben, sind nur zwei der Ziele von Professor Alexander Barnes. Anlässlich seiner Einführungsvorlesung berichtet er in diesem Portrait, warum Deutsch für Chemiker wichtig ist, wie eine Kugel zur Signalverstärkung führt und Biomolekülstrukturen in menschlichen Zellen bestimmbar werden.

von Julia Ecker
Prof. Alexander Barnes

Professor Alexander Barnes‘ Büro im Kellergeschoss des LPC ist nur sparsam mit Möbeln bestückt. Umso schneller fällt einem die dunkle Bouldermatte ins Auge, die an einer Wand lehnt. Barnes liebt das Klettern und die Berge. Das hat er mit seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter gemeinsam. Als er 2019 die Zusage für die Professorenstelle im D-CHAB erhielt, fiel daher auch seiner Frau die Entscheidung nicht schwer, die USA zu verlassen und in die gebirgige Schweiz zu ziehen.

Geprägt von den Naturwissenschaften

Barnes stammt ursprünglich aus St. Louis in Missouri und kommt aus einer Wissenschaftsfamilie: Der Vater ist Biochemiker, die Schwester Neurowissenschaftlerin, der Bruder Astronom und Physiker. Barnes entschied sich für die Chemie. Er studierte am Whitman College und machte noch während seines Studiums ein Auslandsjahr in Deutschland, um Deutsch zu lernen. „Mein Vater hat auch dort studiert. Er hat oft davon erzählt, es klang nach einem tollen Abenteuer“, erinnert sich Barnes, „ausserdem ist Deutsch am besten, wenn man als Chemiker noch eine zweite Sprache neben Englisch lernen möchte. Chemie ist im deutschen Sprachraum als Fachgebiet enorm stark.“


Nach seinem Studienabschluss war Barnes noch ein zweites Mal in Deutschland und wechselte dann für seinen PhD in Physikalischer Chemie ans MIT nach Boston. Dort lernte er, wie man neue Technologien entwickelt: „Mit einer neuen Technologie erhält man eine Sicht auf die Natur, die sonst noch niemand hat auf der Welt. Das ist für mich Wissenschaft.“ Nach sieben Jahren am MIT ging Barnes für seinen Post Doc nach Stanford. Er wollte wie Elon Musk – sein Vorbild im Bereich Technikentwicklung – zu einer besseren Zukunft beitragen. So stiess er in Stanford zu einer Gruppe, die sich mit HIV-Therapie beschäftigte. Wieder zurück in St. Louis, wurde er Assistenzprofessor und brachte sein technologisches Know-how in die HIV-Therapieforschung ein. 2019 folgte dann die Berufung an die ETH Zürich.

Solid State NMR Spectroscopy - Discovering Structures of Molecules
Die Festkörper-NMR-Spektroskopie erlaubt es, die Strukturen in einer Zelle genau zu bestimmen. (Visualisation: Barnes / ETH Zürich)

Die Zukunft der Kernspinresonanz-Spektroskopie

Seit September ist Barnes ordentlicher Professor am LPC und leitet dort die Gruppe Festkörper- Kernspinresonanz-Spektroskopie (Solid State NMR Spectroscopy). Sechs Mitarbeiter hat er selbst mitgebracht. Mittlerweile zählt sein Team zehn bis zwölf Köpfe und bald sollen weitere hinzukommen: „Drei Bachelor-Studierende und drei Master-Studierende“, freut sich Barnes über den Gruppenzuwachs.


Tatsächlich hat er mit seinem Team einiges vor. Er möchte z.B. weiterhin mit innovativen Technologien zu neuen Medikamenten, etwa gegen HIV, beitragen. Für die Arzneistoffentwicklung ist es wichtig, sowohl die genauen Strukturen des Wirkstoffs in der Zelle zu kennen, als auch die Strukturen des Proteins, mit dem das Medikament interagiert. Der Weg führt laut Barnes über die Weiterentwicklung der NMR-Spektroskopie. Dabei wird eine Probe einem starken Magnetfeld und Radiofrequenzbeschuss (~1200 MHz) ausgesetzt. Damit lässt sich sowohl die chemische Struktur als auch die 3D-Struktur kleiner Moleküle bestimmen. Dasselbe gilt für Proteine. „Proteine oder sonstige Moleküle in einer naturbelassenen, menschlichen Zelle zu untersuchen ist mit den derzeitigen technischen Mitteln allerdings schwierig, weil die Konzentrationen oft gering sind und es lange dauert, bis man ein brauchbares Signal erhält“, sagt Barnes. Ziel ist es also, das NMR-Signal zu verstärken. 

Drei Wege zum stärkeren Signal

Barnes will das über drei Ansätze erreichen: erstens über ein höheres magnetisches Feld. Derzeit wartet das Team auf einen 28 Tesla starken Magneten, laut Barnes der stärkste der Welt in diesem Bereich. „Ausserdem bauen wir auch an eigenen Magneten, damit erreichen wir 50 Tesla. 100 Tesla wäre irgendwann der Traum.“ Zweitens will Barnes die Temperatur bei der Messung auf 2 Kelvin heruntersetzen – auch das verbessert das Signal. Der dritte Ansatz besteht darin, die Signalstärke vom Elektronenspin auf den Kernspin zu übertragen. Das bringt noch einmal eine 660-fache Signalverstärkung.

Solid State NMR Spectroscopy
Festkörper-NMR Spektroskopie: Drei Methoden für ein stärkeres Signal. (Visualisation: Barnes / ETH Zürich)

Zusätzlich haben Barnes und sein Team die Form des Probenkopfes verändert. Grundsätzlich muss sich bei einer Festkörper-NMR-Messung die Probe sehr schnell drehen. Dadurch wird das Signal geschärft. Bislang wurde das Probenmaterial in einen kleinen Zylinder gesteckt. Barnes und sein Team nutzen jetzt stattdessen Kugeln und erreichen damit eine dreimal höhere Drehzahl, was sich ebenfalls positiv auf das Signal auswirkt. „Fasst man alle diese Technologien zusammen, bekommen wir ein Signal, das stark genug ist, um die Strukturen in einer Zelle zu bestimmen.“

Interdisziplinäres Arbeiten als Grundlage für Fortschritt

Die Weiterentwicklung der NMR-Technologie birgt grosses Potenzial für Kooperationen. Abgesehen von der Medizin „kann NMR-Technologie auch bei der Entwicklung von Katalysatoren helfen“, betont Barnes, „oder bei der Herstellung von Stoffen, die CO2 aus der Luft fixieren können. In der Batterieforschung sehe ich ebenfalls Möglichkeiten.“ Erste Ansätze in diese Richtung gibt es bereits. Grundsätzlich ist es Barnes oberstes Ziel als Wissenschaftler den grösstmöglichen Nutzen für die Gesellschaft zu erzielen. „Vielleicht gelingt mir das aber nicht durch die Forschung“, überlegt er mit Blick auf seine Vorlesungsunterlagen, „vielleicht erziele ich den grössten Effekt am Ende als Lehrender, indem ich versuche Studierenden eine Inspiration zu sein.“

Solid-State NMR Spectroscopy Group

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