„Zum Schluss hat‘s immer Spass gemacht“

  • D-CHAB
  • LAC
  • LPC
  • LOC
  • IPW
  • Highlights
  • ICB

Seit 27 Jahren lässt er mit seinen Assistenten in vollen Auditorien chemische „Hunde“ bellen, Öl zur Stichflamme aufsteigen oder Bier zur meterhohen Schaumfontäne werden: Wolfram Uhlig pflegt seine Vorlesungen und Shows für Studierende und Schüler zum Erlebnis zu machen – häufig mit Humor, aber immer mit Theorie unterfüttert. Nun geht er in Pension und plaudert noch einmal über technische Fauxpas in TV-Studios, ETH-Tourneen durch die Schweiz und den Wert einer guten Wissenschaftsvermittlung.

von Julia Ecker

Es ist still im TV-Studio. Dann erscheint plötzlich ein rotes Herz auf dem dunkelblauen Tuch. „Chemie vollbringt Wunder! Was ist da passiert?!“, ruft Moderator Kurt Aeschbacher. Wolfram Uhlig und sein Assistent Bruno Rüttimann schmunzeln in die Kamera. Sie kennen das Geheimnis und verraten es prompt: Der mit Säure gewaschene Stoff plus verdünnte Natronlauge ergibt einen pH-Umschlag beim Farbstoff und so eine Farbänderung. Diesen Trick könnte man für T-Shirts bei Dates nutzen, scherzt Rüttimann. „Aber leider ist der Farbstoff kanzerogen“, räumt Uhlig ein. Das Publikum im Studio lacht. Was Säuren und Laugen können, wird man jetzt wohl nicht mehr so schnell vergessen.  

Wolfram Uhlig kennt dieses begeisterte Lachen nur allzu gut, aber weniger vom TV-Studio denn von der Lehre. Seit 1993 hinterlässt er bei seinen unterhaltsamen Chemie-Shows an diversen Schulen, aber auch in seinen Erstsemestervorlesungen an der ETH Zürich bleibenden Eindruck bei seinem Publikum. Dabei hat alles relativ ernsthaft mit einer rein wissenschaftlichen Karriere begonnen. Uhlig hat an der Universität Halle über Phosphor- und Zinnorganische Chemie promoviert, hat als Post Doc an der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Irkutsk Themen der Organosiliciumchemie bearbeitet und sich am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr mit Problemstellungen der katalytischen Polymerisation von Olefinen auseinandergesetzt. 1991 habilitierte er in Halle.  

Uhlig, Nesper, Rüttimann
Die Anfänge der Experimentalvorlesung: Wolfram Uhlig (l) mit Reinhard Nesper und Bruno Rüttimann (Foto: Wolfram Uhlig / ETH Zürich). 

Unattraktive Chemie – ein Fall für Zwei

„In der DDR waren damals überall doppelt so viel Leute, wie man brauchte – jeder hat versucht irgendwie wegzukommen“, erinnert sich Uhlig. Auf Einladung von Professor Luigi Venanzi kam er so an die ETH und fing bei Professor Reinhard Nesper an. Dieser war die treibende Kraft bei allen kommenden Projekten. „Es waren die Jahre, wo die ETH sehen musste, wo sie Studenten herkriegt“, erzählt Uhlig, „in den 90ern hatten wir teils nur 30 bis 40 Studierende an der Chemie. Das war an allen Hochschulen so: Chemie war unattraktiv. Da musste was passieren.“

Fortan wurde die Öffentlichkeitsarbeit am D-CHAB aufgebaut. Unter anderem sollte auch das neue Gespann Uhlig-Rüttimann dazu beitragen. „Wir haben zu der Zeit etwa 200 Experimente aufgebaut. Die wurden teils zuerst auf Video aufgenommen. Heute gibt es viele Chemie-Filme, aber damals war das etwas Neues“, weiß Uhlig – entsprechend spannend habe sich die Aufnahmeprozedur gestaltet [Audio 1].

Wolfram Uhlig_Biolumineszenz-Experiment
Fast wie Magie: Biolumineszenz-Experiment (Foto: Dominique Meienberg / ETH Zürich)

Mit der Zeit entstand aus diesen Versuchsreihen eine Chemie-Show. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „ETH unterwegs“ besuchten Uhlig und Rüttimann damit diverse Schulen in der Schweiz: „Zunächst waren das 10-15 Shows pro Jahr, dann sogar 30 Stück. Die ETH hat unser ganzes Material transportiert, das war ja nicht ohne. Ist dann auch international geworden.“ Ins Englische haben sich Uhlig und Rüttimann aber bewusst nie gewagt: „Bei einer Show kannst du nicht nachdenken, wie du was sagst, da musst du einfach drauflosreden.“

Rüttimann beim Experiment
Für Chemie begeistern: SchülerInnen bei der Chemie-Show (Foto: Wolfram Uhlig / ETH Zürich). 

Wenn die Chemie stimmt

Zwischen Rüttimann und Uhlig, die insgesamt 17 Jahre lang ein Team waren, stimmte einfach die Chemie wie Moderator Aeschbacher bei der Sendung 2010 richtig erkannte – egal, ob sie nun die TV-Belegschaft mit kleineren Experimentier-Unfällen ins Schwitzen brachten und zu Live-Aufnahmen auf gut Glück nötigten [Audio 2] oder ob es darum ging, brennende Stahlwolle am Zürichsee in Schach zu halten [Audio 3]. Rüttimann, damals schon einer der dienstältesten Laboranten an der ETH, war als leidenschaftlicher Kunstfotograf und mutiger Wissenschaftler die perfekte Ergänzung für solch abenteuerliche Vermittlungsformate: „Er war immer für das Ästhetische zuständig und ich für die Chemie. An den Fotos kann man sehen, wie viel Herzblut da reingeflossen ist.“

Nach 47 Jahren an der ETH – so lange, dass „der Computer dafür nicht mal mehr ein Dienstgeschenk vorgesehen hatte“, lacht Uhlig – ging Rüttimann in Pension. Uhlig machte mit anderen Assistenten, Dr. Lukas Sigrist und Kurt Hauenstein, weiter, immer noch engagiert und erfolgreich. „Trotzdem war an der ETH immer etwas Pushen nötig, um die Leute vom Nutzen zu überzeugen. Aber mit der Zeit fand es sogar Nobelpreisträger Richard Ernst gut, dass so das Interesse der Menschen geweckt wird.“ Manchmal seien eindrückliche Experimente wie der Bellende Hund ( Zündung einer Mischung aus Lachgas und Schwefelkohlenstoff nach einer Vorschrift von Justus v. Liebig) ja gerade das, woran sich die Leute noch Jahrzehnte später erinnern.

Bellender Hund
Rüttimann assistiert beim Experiment "Bellender Hund" (Foto: Dominique Meienberg / ETH Zürich).

Feedback als Erfolgswährung

Die Währung für Erfolg in der Vermittlung ist meist kein offizieller Preis, sondern direktes Feedback, und davon hat Uhlig bis heute reichlich positives erhalten: „Als ich jetzt die 400 Prüfungen korrigiert habe, haben wieder einige Studenten drunter geschrieben, dass es fantastisch wäre, wie ich das vermittelt habe“, meint er nicht ohne Stolz. Neben den Experimenten mache das wohl auch die Mischung aus aktueller Wissenschaft und Historie, die er öfters einbaue – „das schafft Verbindung.“ Schön wäre es, wenn noch mehr Leute Freude an so einer Vermittlung hätten, aber auch Talent dafür mitbrächten, betont Uhlig, zumal es ja Pädagogik für die Vorlesungen kaum gäbe. Mit Dr. Jan Cvengros habe er da aber einen guten Nachfolger. Nun freut sich Uhlig auf die Alpen und viele Opernbesuche. Die Lehre und die Shows wird er trotzdem vermissen: „Zum Schluss hat‘s immer Spaß gemacht.“

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert