Chemie und Pharmazie in der Medizin von morgen

  • D-CHAB
  • LOC
  • IPW

Beim aktuell laufenden Programm von Science City dreht sich alles um vorbeugen, heilen und gesund bleiben mit der Medizin von morgen. Auch im D-CHAB forscht man daran, wie Renato Zenobi, Stefanie Krämer und Barbara Frei Haller bei Science City zeigen werden. Im Gespräch gewähren sie Einblicke in ihre Arbeit und werfen einen Blick in die nahe Zukunft der Medizin.

von Julia Ecker

Noch vor zwei Jahren hätte man eine mRNA, verpackt in einer Schutzhülle und codierend für ein Virusprotein als eher futuristische Impfvariante empfunden. Doch Corona hat die Sache beschleunigt und aus der „Medizin von morgen“ eine Lösung für heute gemacht. Dazu beigetragen haben auch Erkenntnisse aus der Chemie und Pharmazie: Je genauer man versteht, wie Krankheiten entstehen oder diagnostiziert werden können, Immunantworten aussehen und Arzneistoffe im Körper abgebaut werden, desto besser wird man in Zukunft Patienten individuell behandeln können. Personalisierte Medizin – ein Schlüsselbegriff in der Medizin von morgen.

Dieser Meinung sind auch Renato Zenobi, Professor am LOC für Analytische Chemie, Stefanie Krämer, Professorin am IPW für Biopharmazie, und Barbara Frei Haller, Apothekerin und Dozentin für Ethnopharmazie an der ETH. Sie tragen auf unterschiedliche Weise zur Medizin der Zukunft bei und stellen einiges davon am Wochenende bei Science City vor.

Was Naturheilkunst mit moderner Medizin verbindet

Dr. Barbara Frei Haller

Mit der Ethnopharmazie sei sie ein wenig die „Exotin“ an der ETH, scherzt Barbara Frei Haller. Dabei drehe sich alles um die traditionelle Verwendung und das Management von Arzneimitteln in diversen Kulturen (z.B. Chinesische Medizin), speziell in Bezug auf Heilpflanzen und natürliche Arzneistoffe. Wer aber denkt, das hätte nichts mit moderner Medizin zu tun, irrt. Die „Schulmedizin“ ist aus der Naturmedizin entstanden. „Auch in unseren Medikamenten sind noch immer interessante Naturstoffe enthalten, in reiner oder chemisch veränderter Form“, betont Frei Haller. Medizin von morgen bedeute daher für sie auch mehr Zusammenarbeit und Austausch zwischen traditioneller Medizin und Schulmedizin, zumal gerade in Naturstoffen immer noch ein großes Potenzial steckt. Ein wenig davon hat Frei Haller kürzlich bei Science City vor allem externe Seiteden Kindern via Video-Vorlesung nähergebracht und dort gezeigt, wie man sich bei kleinen Leiden selbst helfen kann.

Barbara Frei Haller Natursubstanzen
Naturstoffe bergen ein grosses Potenzial für künftige Medikamente (Foto: Barbara Frei Haller).

Von Risiken und Nebenwirkungen

Prof. Stefanie Krämer

Stefanie Krämer interessiert sich dafür, wie sich Arzneistoffe im Körper verhalten (Aufnahme, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung der Stoffe). „Stoffe nehmen unterschiedliche Wege im Körper, können chemisch inaktiviert oder auch aktiviert werden und verlassen ihn z.B. über die Nieren oder den Darm. Haben zwei Arzneistoffe denselben Weg, können sie sich gegenseitig beeinträchtigen.“ Solche Erkenntnisse seien wichtig, um Nebenwirkungen abzuschätzen, die ausserdem vom Alter der Person, ihren Genen oder sogar ihren Essgewohnheiten abhängen können, wie Krämer bei externe Seiteihrem Science City-Vortrag (Aufnahme zum Nachhören) am Wochenende genauer erläutern wird. Das gilt auch für pflanzliche Arzneistoffe. Mittlerweile seien aber schon während der Arzneistoffentwicklung gute Vorhersagen möglich, und zwar direkt aus dem Reagenzglas. Das hilft, Risiken und Nebenwirkungen zu minimieren. Künftig soll es auf dem Gebiet weitere Verbesserungen geben, auch hinsichtlich individuelleren Behandlungsmöglichkeiten.

Coffein Krämer Grafik
Blut-Spiegel von Arzneistoffen lassen sich oft gut voraussagen aufgrund weniger Parameter. Beispiel: Koffein-Konzentration im Blut nach Kaffee um 6 Uhr, 10 Uhr, 13 Uhr und 16 Uhr mit starker Kumulation während der Schwangerschaft (Grafik / Foto: Krämer Stefanie / ETH Zürich).

Atmen für die Diagnose

Prof. Renato Zenobi

In Richtung personalisierter Medizin bewegt sich auch Renato Zenobis Forschung im Bereich der Massenspektrometrie (MS): Über „weiche“ Ionisationsmethoden lassen sich hier z.B. ganze Komplexe aus Enzymen und Arzneistoffen beobachten. Auch verstoffwechselte Stoffe (Metaboliten), die den Körper über die Lungen verlassen, werden durch MS messbar, wie Zenobi bei Science City externe Seitevia Video Clip demonstrieren wird. Grundsätzlich ist es nicht neu, Atemluft als „Indikator“ für Krankheiten zu verwenden – auch die traditionelle chinesische Medizin nutzt das und Hunde können diverse Leiden so „erschnüffeln“. Eine chemische Auswertung ist da schwieriger. Zenobis Methode erlaubt jedoch konkrete „live“-Messungen. Dies birgt grosses Potenzial für die Diagnostik: „Damit lässt sich etwa feststellen, wie schnell ein Medikament im Körper abgebaut wird und erlaubt eine individuelle Anpassung der Dosis für den Patienten“, sagt Zenobi. Derzeit laufen sogar Studien im Netzwerk „Zurich Exhalomics“ mit Lungenkrebs- und Coronapatienten. Dopingsubstanzen würden sich für die Atemanalytik hingegen weniger eignen, viele davon „gehen zu schnell in den Urin.“ 

Analysis of the exhalome holds great potential for diagnostics (Visualization: Zenobi et al.).
Analysis of the exhalome holds great potential for diagnostics (Visualization: Zenobi et al.).

So wichtig individuelle Behandlung, Grundlagenforschung sowie neue Diagnostik- oder Screeningmethoden künftig in der modernen Medizin auch sein werden – „grundsätzlich sollte man sich fragen: Will man denn immer unbedingt eine Krankheit finden oder will man gesund bleiben? Ich bin eher für Letzteres“, wendet Barbara Frei Heller ein. Ähnlich sehen das auch Stefanie Krämer und Renato Zenobi: Wichtig sei es, künftig das Augenmass zu behalten bei den immer zahlreicheren Screening- und Behandlungsmethoden.

Die Gesundheit ist zudem ein persönliches Gut, dessen Pflege man nicht einfach nur der Technologie und der Medizin überlassen soll.Prof. Stefanie Krämer
JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert