Einblicke in Reaktionsmechanismen bei der Herstellung nachhaltiger flüssiger Kraftstoffe

Methanol, das aus Kohlendioxid in der Luft gewonnen wird, kann zur Herstellung von kohlenstoffneutralen Kraftstoffen verwendet werden. Dazu muss jedoch der Mechanismus, durch den Methanol in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt wird, besser verstanden werden, damit der katalytische Prozess optimiert werden kann. Forscher der ETH Zürich und des Paul-Scherrer-Instituts haben nun mit ausgefeilten Analysetechniken einen noch nie dagewesenen Einblick in diesen komplexen Mechanismus gewonnen.

von Miriam Arrell (PSI)
Forscher Javier Pérez-Ramírez, András Bödi und Patrick Hemberger an der Swiss Light Source SLS
Forscher Javier Pérez-Ramírez, András Bödi und Patrick Hemberger (von links nach rechts) an der Swiss Light Source SLS (Paul Scherrer Institut)

Wenn wir die Auswirkungen der Emissionen mit unserem Wunsch, unseren energiehungrigen Lebensstil beizubehalten, in Einklang bringen wollen, ist die Nutzung des Kohlendioxids in der Atmosphäre zur Herstellung neuer Kraftstoffe eine spannende, kohlenstoffneutrale Alternative. Eine Möglichkeit dazu ist die Herstellung von Methanol aus Kohlendioxid in der Luft mit Hilfe eines Prozesses, der Hydrierung genannt wird. Dieses Methanol kann dann in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Bei der Verbrennung dieser Kohlenwasserstoffe wird zwar Kohlendioxid freigesetzt, doch wird dies durch das für die Herstellung des Kraftstoffs aufgefangene Kohlendioxid ausgeglichen.

Um diesen nachhaltigen Kraftstoff vollständig zu entwickeln, ist ein tieferes Verständnis des Mechanismus erforderlich, durch den Methanol – in einer von Zeolithen, festen Materialien mit einzigartiger poröser Architektur, katalysierten Reaktion – in langkettige Kohlenwasserstoffe umgewandelt wird. Zu diesem Zweck haben sich Forschende der ETH Zürich im Rahmen des Nationalen Forschungskompetenzzentrums NCCR Catalysis mit Forschenden des Paul Scherrer Instituts PSI zusammengetan, um die Details dieses Reaktionsmechanismus aufzuklären. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Catalysis veröffentlicht.

"Informationen sind der Schlüssel zur Entwicklung von selektiveren und stabileren Katalysatoren", erklärt Javier Pérez-Ramírez, Professor für Katalyse-Engineering an der ETH Zürich und Direktor des NCCR Catalysis, der die Studie geleitet hat. "Vor unserer Studie waren trotz zahlreicher Bemühungen wichtige mechanistische Aspekte der komplexen Umwandlung von Methanol in Kohlenwasserstoffe nicht gut verstanden".

Die Forscher waren daran interessiert, den Prozess der Umwandlung von Methanol in Kohlenwasserstoffe mit einem anderen Prozess zu vergleichen: der Umwandlung von Methylchlorid in Kohlenwasserstoffe. Ölraffinerien verbrennen häufig grosse Mengen unerwünschten methanreichen Erdgases. Diese umweltschädliche und verschwenderische Tätigkeit führt zu den typischen Abfackelungen, die bei Ölraffinerien auftreten. "Die Umwandlung von Methylchlorid in Kohlenwasserstoffe ist eine Art Brückentechnologie", erklärt Pérez-Ramírez. "Natürlich würden wir gerne von fossilen Brennstoffen wegkommen, aber in der Zwischenzeit wäre dies eine Möglichkeit, die Verschwendung der riesigen Reserven an wertvollem Methan zu vermeiden".

Flüchtige Gasmoleküle erzählen die Geschichte

Der Schlüssel zum Verständnis komplexer Reaktionsmechanismen wie diesen liegt im Nachweis der verschiedenen beteiligten Arten, einschliesslich der Zwischenprodukte. Herkömmliche Techniken schauen direkt auf die Oberfläche des Katalysators, um die Reaktion zu verstehen, aber ein wichtiger Teil der Geschichte wird von den Gasmolekülen erzählt, die aus dem Katalysator austreten.

"Diese Moleküle sind oft hochreaktiv und sehr kurzlebig, da sie sich innerhalb weniger Millisekunden zersetzen. Das macht ihre Identifizierung zu einer echten Herausforderung, da die traditionellen Gasphasen-Analysemethoden einfach zu langsam sind", erklärt Patrick Hemberger, Wissenschaftler an der Vakuum-Ultraviolett-Beamline (VUV) der Schweizer Lichtquelle SLS, deren ausgefeilte Analysetechniken es den Forschern ermöglichen, die Reaktion zu untersuchen, während sie stattfindet.

An der VUV-Beamline hat sich die Photoionen-Photoelektronen-Koinzidenz-Spektroskopie (PEPICO) in jüngster Zeit als leistungsfähiges Analyseinstrument für katalytische Reaktionen etabliert. Sie kombiniert zwei verschiedene Analysetechniken, die Photoelektronenspektroskopie und die Massenspektrometrie, um detaillierte Informationen über die Reaktionszwischenprodukte in der Gasphase zu erhalten und sogar eine Unterscheidung zwischen Isomeren zu ermöglichen.

"Da wir gleichzeitig zwei verschiedene Arten von Informationen sammeln, können wir diese flüchtigen Spezies selbst in einem Gemisch, das bis zu hundert Reaktionszwischenprodukte und -produkte enthält, schnell identifizieren. Das verschafft uns einen nie dagewesenen Einblick, der mit herkömmlichen Methoden einfach nicht möglich ist", sagt Hemberger.

Reaktionswege aufgedeckt

Mit der Spektroskopie konnten die Forscher durch den Nachweis zahlreicher Zwischenprodukte aufdecken, wie sich die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen bilden und die Kohlenwasserstoffkette wächst. Bei den beiden Prozessen – Methanol zu Kohlenwasserstoff und Methylchlorid zu Kohlenwasserstoff – beobachteten die Forscher, dass unterschiedliche Reaktionszwischenprodukte auftraten. Daraus konnten sie zwei unterschiedliche Reaktionswege ableiten: einen, der von Methylradikalen angetrieben wird, die in beiden Reaktionen vorkommen, und einen anderen, der von sauerstoffhaltigen Spezies, so genannten Ketenen, angetrieben wird, die nur bei der Reaktion von Methanol zu Kohlenwasserstoff auftreten.

Die Forscher konnten auch ein interessantes Merkmal der Reaktionen nachvollziehen: Nach einigen Tagen wurde der Katalysator deaktiviert und die Reaktion kam zum Stillstand. Der Grund dafür war die Bildung eines unerwünschten Nebenprodukts - Koks, der aus grossen aromatischen Kohlenwasserstoffen besteht, die sich während der Reaktion ablagern.

Mit Hilfe einer anderen spektroskopischen Technik, der paramagnetischen Elektronenresonanzspektroskopie, stellten die Forscher fest, dass die Produktion von Kohlenwasserstoff aus Methylchlorid viel stärker zur Koksbildung neigt als die Herstellung aus Methanol. Mit dem Wissen über die Reaktionswege war der Grund für diesen Unterschied klar: "Die Methanol-Kohlenwasserstoff-Route verläuft über zwei Reaktionswege, während die Methylchlorid-Kohlenwasserstoff-Route nur den reaktiveren Methylradikal-Weg nehmen kann, der anfälliger für die Koksbildung ist", erklärt Gunnar Jeschke, dessen Team an der ETH Zürich die elektronenparamagnetischen Resonanzspektroskopie-Studien durchführte.

Den Mechanismus verstehen, um den Prozess zu optimieren

Die in dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse sind für die künftige Entwicklung von flüssigen Brennstoffen auf nachhaltige Weise wichtig. Dazu könnte es gehören, Wege zu finden, den sauerstoffgetriebenen Weg zu verbessern und so die Bildung von Koks zu unterdrücken.

"Wir haben jetzt ein tieferes Verständnis des Reaktionsmechanismus von Methanol zu Kohlenwasserstoffen oder Methylchlorid zu Kohlenwasserstoffen und können mit diesem Wissen den industriellen Prozess gezielt optimieren, um ihn effizienter zu machen", fügt Hemberger hinzu.

Weitergehende Information

Original Publication

Elucidation of radical- and oxygenate-driven paths in zeolite-catalysed conversion of methanol and methyl chloride to hydrocarbons

Alessia Cesarini, Sharon Mitchell, Guido Zichittella, Mikhail Agrachev, Stefan P. Schmid, Gunnar Jeschke, Zeyou Pan, Andras Bodi, Patrick Hemberger and Javier Pérez-Ramírez
Nature Catalysis (2022)
DOI: externe Seite10.1038/s41929-022-00808-0

Links

externe SeitePEPICO | VUV | Paul Scherrer Institut (PSI)

Advanced Catalysis Engineering - Welcome to aCe (ethz.ch)

EPR – Electron Paramagnetic Resonance | ETH Zurich

Funding

This work was carried out as part of externe SeiteNCCR Catalysis, a National Centre of Competence in Research funded by the Swiss National Science Foundation.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert