Klare NMR-Resultate in Sekundenschnelle

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Wer Interaktionen von Molekülen mit NMR erforschen will, benötigte bisher bis zu einer Stunde, um brauchbare Ergebnisse zu erhalten und selbst dann war das Resultat nicht immer klar genug. Roland Riek, Felix Torres und Matthias Bütikofer aus dem LPC haben eine Methode entwickelt, die NMR-Resultate in Sekundenschnelle liefert, das Messsignal verbessert und dabei auch noch Materialkosten spart. Nun sind sie mit ihrer Erfindung für den Spark-Award nominiert und haben grosse Pläne.

von Julia Ecker

Die Pandemie mag einiges gebremst haben, doch Not macht auch erfinderisch. Davon können Postdoc Felix Torres und Doktorand Matthias Bütikofer aus dem Laboratorium für Physikalische Chemie am D-CHAB ein Lied singen. Die beiden erforschen in der Gruppe von Professor Roland Riek die Strukturen, Merkmale und intermolekularen Wechselwirkungen von biologischen Makromolekülen mit Hilfe von Magnetischer Kernresonanz (NMR). „Während der Pandemie wollten wir einen Beitrag leisten. Wir begannen mit dem Screening von Molekülen gegen die Hauptprotease von SARS-CoV-2 mit Hilfe von Standard-NMR-Experimenten, waren aber mit der Qualität der Ergebnisse nicht zufrieden – und das trotz des ganzen Aufwandes, der Zeit und Kosten für die teuren Materialien,“ erinnert sich Felix Torres, „da dachten wir: Das muss doch besser gehen.“

Spark Award Nominierte Roland Riek, Felix Torres, Matthias Bütikofer
Spark Award 2022 Nominierte aus dem D-CHAB/LPC: Prof. Roland Riek (l), Felix Torres, Matthias Bütikofer (r) (Foto: ETH Zürich)

Glücksspiel NMR, Glücksfall Hyperpolarisation

Bei der NMR werden Atomkerne einem Magnetfeld ausgesetzt und durch Radiofrequenzen angeregt. Die Kerne „antworten“ darauf mit einer Resonanzfrequenz. Das entstehende Signal erlaubt tiefe Einblicke in die Molekülwelt und ermöglicht so z.B. die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen einem Arzneimittelkandidaten und seinem Zielmolekül – eine fundamentale Information für das Finden und Weiterentwickeln von Arzneiwirkstoffen. „NMR ist hier für jede Art Zielsubstanz verwendbar und sehr spezifisch. Das Problem liegt in der fehlenden Sensitivität der Methode. Durch das Hintergrundrauschen ist es oft schwierig, ein klares Signal zu erhalten, welches sich interpretieren lässt“, erklärt Torres. „Das dauert zwischen 30 Minuten und einer Stunde,“ ergänzt Matthias Bütikofer, „womit sich je nach Probenanzahl der ganze Prozess über Wochen ziehen kann – und dennoch bleibt das Ergebnis ein Glücksspiel.“

Gelöst haben die Forscher dieses Problem schliesslich mittels Hyperpolarization durch photochemisch induzierte dynamische Kernpolarisation (photo-CIDNP). Vereinfacht ausgedrückt passiert dabei folgendes: Die Probe wird mit Licht angeregt, wodurch sich die Spins der Kerne im magnetischen Feld ausrichten. Das führt zu einem veränderten Magnetismus der Moleküle und am Ende zu einer deutlichen Verbesserung des Signals. Interessant ist dieser Ansatz auch für das erwähnte Studium von Wechselwirkungen zwischen Molekülen. „Diese können wir nachweisen, indem wir die hyperpolarisierten NMR-Spektren von zwei Proben vergleichen: eine Probe enthält kleine, mit Licht hyperpolarisierte Moleküle“, erklärt Torres. Diese diene als Referenz für die zweite Probe, welche zusätzlich das Zielmolekül (z.B. Protein) enthält. „Unterscheiden sich die beiden Spektren, lässt dies auf eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen schliessen.“

Die Hyperpolarisation selbst ist bereits seit den 60ern bekannt. Bis in die 1980er Jahre wurde sie vor allem von Physikern weiterentwickelt. „Vom Pharmabereich waren die Anwendungen jedoch weit entfernt“ sagt Felix Torres, „wir hatten hier das Glück, dass unsere Gruppe so interdisziplinär ist und dass uns Professor Riek freie Hand beim Experimentieren liess. Es hat auf Anhieb geklappt.“

Matthias Bütikofer and Felix Torres let shine let on their samples
Matthias Bütikofer und Felix Torres bescheinen Proben mit Licht; Rechts und im Hintergrund: NMR-Magnete, die gebraucht werden, um die Proben einem starken magentischen Feld auszusetzen  (Foto: Julia Ecker, ETH Zurich).

10.000 Proben pro Tag

Mit ihrer Methode haben es die Forscher geschafft, die verschiedenen Charakterisierungsschritte – Nachweis, Bestimmung und Struktur der Wechselwirkung auf atomarer Ebene – zu beschleunigen und somit die Basis gelegt, um kleine Moleküle schneller optimieren zu können. Insgesamt konnte die gängige Aufnahmezeit der Spektren von bis zu 60 Minuten auf wenige Sekunden verkürzt werden, was den ganzen Prozess von mehreren Wochen auf ein paar Tage verknappt. “Heute schaffen wir 1500 Proben am Tag. Zum Vergleich: mit der üblichen NMR-Methode waren es nur 700 Proben in zwei Wochen”, veranschaulicht Matthias Bütikofer. Künftig soll die Geschwindigkeit noch gesteigert werden. 10.000 Proben pro Tag sollen möglich sein.

Damit das ins Rollen kommt, möchten die Forscher das Start-up externe SeiteNexMR gründen. „Wir hoffen künftig medizinische Chemiker und Chemikerinnen zu unterstützen, welche zum Beispiel Daten über Wechselwirkungen benötigen, um ein kleines Molekül zu einem Arzneimittelkandidaten weiterzuentwickeln“, erklärt Torres. Das Anwendungsspektrum liesse sich allerdings noch viel weiter denken. „Vorstellbar wäre auch eine Anwendung in vivo in lebenden Zellen, um die Wirkung eines Arzneimittelkandidaten zu überwachen“, wagen die Forscher einen Ausblick. Doch das sei Zukunftsmusik. Vorerst freuen sie sich über ihre Nominierung beim Spark Award 2022 und auf die Herausforderung einer ganz anderen Art von Wechselwirkung – nämlich jene zwischen Unternehmer und Kunden – welcher nach Abklingen der Pandemie nun nichts mehr im Wege stehen dürfte.

Spark Award 2022
27. April 2022, 17:30 - 19:00 Uhr
Audimax (HG F 30), ETH Zürich
Rämistrasse 101, 8092 Zürich

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Am 27. April 2022 verleiht die ETH Zürich den Spark Award. Forschende der ETH Zürich erhalten den Preis für die vielversprechendste Erfindung, die im vergangenen Jahr zum Patent angemeldet wurde. Die Kriterien für die Evaluation sind Originalität, Patentstärke und Marktpotential.

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